Umgang mit dem Wolf – Kreistagsresolution

Der Kreistag des Landkreises Stade hat in seiner Sitzung am Montag, 25. September 2023 die nachstehende Resolution beschlossen. Insbesondere die Bundesumweltministerin wird hiermit aufgefordert den guten Erhaltungszustand der Population des westeuropäischen Wolfes gegenüber der europäischen Kommission zu melden.

Waldweg im Nebel
Waldweg im Nebel Bild: Kalhh @ pixabay

In den letzten Wochen hat das Thema „Rückkehr der Wölfe“ nicht nur bundesweit, sondern speziell in Niedersachsen eine hohe Aufmerksamkeit in der Öffentlichkeit und in der Politik erfahren. So haben auch viele niedersächsische Landkreise in der Lüneburger Heide auf Basis der „Uelzener Erklärung“ oder an der Küste angelehnt an die „Auricher Erklärung“ klare Beschlüsse in dieser Sache gefasst, die alle ein Bestandsmanagement in Bezug auf die
schnell und dynamisch wachsende Wolfspopulation einfordern. Auf Antrag Niedersachsens wurde die Thematik „Wolf“ auf die Tagesordnung der Ministerpräsidentenkonferenz am 6. bis 7. September 2023 in Brüssel gesetzt.

Wie verschiedenen Medien zu entnehmen war, erzielten die Ministerpräsidenten in  diesem Punkt Einigkeit dahingehend, dass die bisherige Rechtslage nicht ausreichend ist, sondern es insbesondere bei Konfliktsituationen möglich sein muss, schnell und unbürokratisch in ein Bestandsmanagement einzutreten. Das heißt, konkret auch gegebenenfalls die Zahl der Wölfe zu reduzieren.

Vor diesem Hintergrund stellten die Fraktionen folgenden Antrag:

Der Kreistag des Landkreises Stade möge in seiner Sitzung am 25. September 2023 Folgendes beschließen:
1. Die Bundesregierung – das BMU – wird aufgefordert, den guten Erhaltungszustand der Population des westeuropäischen Wolfes gegenüber der europäischen Kommission zu melden.
2. Die Bundesregierung wird aufgefordert umgehend die Voraussetzung zu schaffen, folgende Vereinbarung aus ihrem Koalitionsvertrag umzusetzen: „Ein regional differenziertes Bestandsmanagement zu ermöglichen.

Begründung:

Für einen großen Teil der Bevölkerung des Landkreises Stade hat die Deichsicherheit und die optimale Pflege unserer Deiche entlang der Küstenschutzlinie, aber auch im Hochwasserschutz eine elementare Bedeutung. Die Bevölkerung verlässt sich darauf, dass die Deichverbände alles tun um ihrem Auftrag gerecht zu werden. In der Nacht vom 25. auf den 26. August 2023 ist bei einem Übergriff von Wölfen im Bereich der Ortschaft Gräpel auf eine Schafherde leider eindrucksvoll unter Beweis gestellt worden, dass es hier zwischen der Anwesenheit von Wölfen und der Sicherheit, der zur Deichpflege eingesetzten Schafe, einen gravierenden Zielkonflikt gibt. Es handelt sich um den folgenschwersten Übergriff in der jüngeren Geschichte des Landes Niedersachsen. Die besondere Problematik liegt darin, dass der Landkreis laut offiziellem Monitoring des Landes Niedersachsen derzeit kein territoriales Rudel aufweist und darüber hinaus der fehlerfreie Grundschutz (Zaun), der über die offiziellen Empfehlungen des Wolfsbüros bzw. der LWK Niedersachsen hinausging, keinen Schutz für die Schafe gewährt hat. Im Gegenteil erwies sich der geschlossene und massive Zaun für die angegriffenen Schafe als Falle. Unter diesen Erfahrungen ist es aus Tierschutzgründen kritisch zu hinterfragen, ob ein solcher Grundschutz verantwortbar ist.

Fakt ist: Unter diesen Bedingungen ist die Bereitschaft der Schäfer ihre Tiere zur   einzusetzen und u. U. ihrem Beruf weiter nachzugehen fraglich. Im Bereich Cuxhaven hat schon im Jahr 2021 ein Deichschäfer seinen Beruf aufgegeben, weil er sich nicht dem ständigen psychischen Druck gewachsen sah. Vor diesem Hintergrund muss es auch im Landkreis Stade zukünftig möglich sein, schnell und unbürokratisch gezielt dort einzugreifen, wo Wölfe über ihr Jagdverhalten Zielkonflikte auslösen. Mit der Verabschiedung dieses Antrages erklärt sich der Landkreis Stade solidarisch mit Kreistagen entlang der Nordseeküste und mit Kreistagen aus der Lüneburger Heide, die aufgrund ihrer individuellen Betroffenheit teilweise gleichlautende Beschlüsse gefasst haben.

Bezogen auf die Forderungen in Richtung der Bundesregierung ist Folgendes anzumerken: Der Vorbehalt im Koalitionsvertrag der Bundesregierung – „sofern europarechtskonform“ – ist durch ein jüngst im Auftrag der FDP-Bundestagsfraktion veröffentlichtes Gutachten von Prof. Michael Brenner im Sinne dieses Antrags eindeutig geklärt. Fakt ist allerdings, dass für ein Bestandsmanagement –innerhalb der FFH-Richtlinie Anhang IV – der jeweilige Mitgliedsstaat der EU aktiv gegenüber der Kommission den guten Erhaltungszustand erklären muss. Dazu war die Bundesregierung bisher nicht bereit. Niedersachsen und der westliche Teil Schleswig-Holsteins bilden fast deckungsgleich die „Atlantische biogeografische Region“ auf deutschem Territorium ab. Aktuell – Stand heute –verfügt diese Region über 48 territoriale Rudel.

Da der gute Erhaltungszustand für die drei biogeografischen Regionen Deutschlands – Atlantische, Kontinentale und Alpine Region – separat betrachtet und anschließend gemeldet werden muss, bedarf es hier in Niedersachsen keiner weiteren Meldung von Monitoringdaten Richtung EU-Kommission. Die Meldung des guten Erhaltungszustandes für die in Niedersachsen nachgewiesenen Wölfe ist eine Frage des politischen Willens.