Bundestagsabgeordnete fordern differenzierten Umgang mit Wolf
Dazu äußern sich die niedersächsischen Bundestagsabgeordneten Susanne Mittag und Marja-Liisa Völlers wie folgt: „Im Koalitionsvertrag haben wir uns eindeutig dafür ausgesprochen, das Zusammenleben von Menschen, Weidetieren und Wolf so zu gestalten, dass möglichst wenige Konflikte auftreten. Wir nehmen die berechtigten Sorgen und Probleme der Weidetierhalterinnen und Weidetierhalter sehr ernst. Ihnen muss bei ihrer jetzt schon schwierigen wirtschaftlichen Lage eine Zukunft ermöglicht werden. Dies kann nur mit noch effektiverem Herdenschutz und einem differenzierten Umgang mit den Wolfsbeständen funktionieren. Insbesondere bei der Deich-und Wanderschäferei sowie in dicht besiedeltem oder touristischem Gebiet hat der Schutz von Menschen und Weidetieren eine besondere Relevanz. Eine Voraussetzung für erfolgreichen Herdenschutz sind Maßnahmen des technischen Schutzes, insbesondere entsprechende Zäune und deren Weiterentwicklung. Deren Wirkung kann, dort wo es möglich ist, durch den Einsatz von Herdenschutzhunden grundsätzlich noch verstärkt werden. Beide Maßnahmen müssen stärker gefördert werden. Angesichts der hohen Dynamik bei der Entwicklung der Wolfspopulation in Deutschland, muss eine deutlich häufigere Überprüfung des Erhaltungszustandes des Wolfes durchgeführt werden, um entsprechende regulierende Maßnahmen zeitnaher durchführen zu können.
Jedes Bundesland sollte ein regional differenziertes, europarechtskonformes Bestandsmanagement einzuführen und betreiben. Genanalysen an den Rissen zum Nachweis des Wolfes müssen schneller durchgeführt werden. Durch diese Voraussetzung könnten Entschädigungszahlungen schneller erfolgen. Außerdem sollten Folgemaßnahmen bereits nach dem ersten Riss möglich sein.
Forderungspapier der Landesgruppe Niedersachsen/Bremen in der SPD-Bundestagsfraktion zum zukünftigen Wolfsmanagement (Stand: September 2023)
Wir begrüßen es als Landesgruppe Niedersachsen/Bremen in der SPD-Bundestagsfraktion nachdrücklich, dass die Wiederansiedlung des Wolfes in Deutschland gelungen ist. Dieser Erfolg ist ein gutes Zeichen für den Naturschutz und die Artenvielfalt in Deutschland.
Wir müssen aber auch feststellen, dass gerade in unseren ländlich geprägten Wahlkreisen in Niedersachsen der positive Trend der Populationsentwicklung des Wolfes auch mit Herausforderungen einhergeht. Wir erleben immer wieder, dass die erfolgreiche Wiederansiedlung des Wolfes sich mittlerweile zu einer komplexen Situation entwickelt hat, die vor allem zu Konflikten mit der Weidetierhaltung, aber auch der Bevölkerung führt. Insbesondere für die Weidetierhalterinnen und Weidetierhalter stellt die gewachsene Wolfspopulation eine große Herausforderung dar. Nicht zuletzt vor diesem Hintergrund hat sich die Ampel im Koalitionsvertrag dafür ausgesprochen, das Zusammenleben von Menschen, Weidetieren und Wolf so zu gestalten, dass trotz noch steigender Wolfspopulation möglichst wenige Konflikte auftreten.

Wir sind als Landesgruppe Niedersachsen/Bremen in der SPD-Bundestagsfraktion der Auffassung, dass es ein Gleichgewicht zwischen den Interessen der Landwirtschaft und dem Schutz des Wolfes braucht. Für zahlreiche Weidetierhalter und Weidetierhalterinnen wird die aktuelle gesetzliche Regelung den Herausforderungen der Wiederansiedlung des Wolfes nicht im ausreichenden Maße gerecht. Damit sowohl die Interessen des Natur- und Tierschutzes als auch die Interessen der Weidetierhalter gewahrt bleiben, setzen wir uns für eine zeitnahe Umsetzung der Vorhaben aus dem Koalitionsvertrag ein.
Wir erkennen als Landesgruppen Niedersachsen/ Bremen in der SPD-Bundestagsfraktion zudem an, dass es mittlerweile sowohl auf europäischer Ebene als auch beim Bundesministerium für Umwelt, Naturschutz, nukleare Sicherheit und Verbraucherschutz als zuständigem Ministerium, in dieser Frage Bewegung gibt und begrüßen diese Entwicklung. Mit Blick auf die Erarbeitung von konkreten Vorschlägen seitens des Bundesumweltministeriums fordert die Landesgruppe Niedersachsen/Bremen in der SPD-Bundestagsfraktion insbesondere die Berücksichtigung folgender Punkte bei der Überarbeitung des Wolfsmanagements:
- Anpassung des europäischen Rechts: Wir brauchen ein regionales Bestandsmanagement, das die Berücksichtigung regionaler Gegebenheiten ermöglicht. Ein solches Bestandsmanagement ist für die Akzeptanz des Wolfes in den betroffenen Regionen essenziell. Dazu muss künftig ein günstiger Erhaltungszustand auch regional festgestellt werden dürfen. Zudem muss auf europäischer Ebene eine Vereinfachung der bestehenden Entnahmemöglichkeit ermöglicht werden. Wir sehen hier die EU-Kommission unter Führung von Ursula von der Leyen in der Pflicht, die entsprechenden Beschlüsse auf EU-Ebene zeitnah zu fassen.
- Klarer Vorrang des Schutzes von Weidetierhaltung und der Bevölkerung: Der Schutz der Weidetiere und der Bevölkerung muss klare Priorität haben. Dies gilt vor allem bei der Deich- und Wanderschäferei und in dicht besiedelten oder touristischen Gebieten. Zudem muss angesichts der hohen Dynamik bei der Entwicklung der Wolfspopulation in Deutschland statt des bisherigen sechsjährigen Rhythmus der Evaluation eine deutlich häufigere sowie regional differenzierte Überprüfung des Erhaltungszustandes des Wolfes durchgeführt werden, um entsprechende Schutzmaßnahmen zeitnaher durchführen zu können.
- Effektiver Herdenschutz zur Sicherung der Weidetierhaltung und Zukunftssicherung der Landwirtschaft: Wir nehmen die berechtigten Sorgen der Weidetierhalterinnen und Weidehalter sehr ernst. Ihnen muss eine wirtschaftliche Zukunft ermöglicht werden. Dies kann nur mit einem effektiven Herdenschutz funktionieren. Beim Herdenschutz müssen vor allem folgende Punkte berücksichtigt werden.
- Ein effektiver Herdenschutz ist nur mit einer gemeinsamen Strategie von Bund und Ländern möglich. Die Ergebnisse der am 01.06.2023 vom Bundesministerium für Umwelt, Naturschutz, nukleare Sicherheit und Verbraucherschutz in Kooperation mit dem Bundesministerium für Ernährung und Landwirtschaft gestarteten „Dialogreihe Wolf“ sollen zeitnah vorgelegt werden. Die Mittelausstattung des Kompetenzzentrums Weidetierhaltung und Wolf bei der „Bundesanstalt für Landwirtschaft und Ernährung“ wollen wir ausbauen.
- Herdenschutz muss vor allem Ländersache bleiben. Der Bund unterstützt die Länder dabei, tragbare und sachgerechte Lösungen für präventive Herdenschutzmaßnahmen zu finden. Der Erfahrungsaustausch muss daher gebündelt und forciert werden.
- Maßnahmen für einen besseren Herdenschutz müssen gefördert werden. Hierzu sollte die finanzielle Förderung im Rahmen der Gemeinschaftsaufgabe „Verbesserung der Agrarstruktur und des Küstenschutzes“ (GAK) erweitert werden. Wolfsabweisende Zäune sind dabei unabdingbar. Da diese einem regelmäßigen Verschleiß unterliegen, muss auch eine wiederholte Förderung nach ein paar Jahren möglich sein. Zudem sollte die Wirkung der Zäune durch den Einsatz von Herdenschutzhunden verstärkt werden. Hier sollten auch die Erfahrungen beim Einsatz von Yaks als Herdenschutztier genutzt und weiterentwickelt werden.
- Wir brauchen eine Ausweisung bzw. Ausweitung von möglichen Vorkommensgebieten (Präventionsgebiete), in denen die Nutztierhalterinnen und
Nutztierhalter die nötigen Präventionsmaßnahmen gegen Wolfsangriffe ergreifen dürfen und Förderung dafür erhalten können. - In Gebirgslagen und an Deichen ist der Herdenschutz aufgrund des unwegsamen Geländes oder Vorgaben zum Hochwasserschutz eine besondere Herausforderung. Das gemeinsame Forschungsprojekt der Länder Niedersachsen, Sachsen-Anhalt und Baden-Württemberg muss jetzt rasch ausgewertet und entsprechende Maßnahmen zügig umgesetzt werden.
- Umgang mit Rissen durch Wölfe: Genanalysen an den Rissen zum Nachweis des Wolfes müssen schneller durchgeführt werden. Hierbei sehen wir auch die Beweislastumkehr als unabdingbar an. Durch diese Voraussetzungen könnten schneller Maßnahmen und Entschädigungszahlungen erfolgen. Außerdem sollten Folgemaßnahmen bereits nach dem ersten Riss möglich sein. Hierzu zählt auch eine schnellere, rechtssichere und unbürokratische Entnamemöglichkeit.
- Anpassung des Bundesnaturschutzgesetzes: Um auf Bundesebene die dringend notwendigen Handlungsmöglichkeiten zu verbessern, ist es erforderlich, das Bundesnaturschutzgesetz (BNatSchG) anzupassen. Die bisherige bundesrechtliche Regelung ist nur so lange für den Vollzug in den Ländern und Kommunen hilfreich, wie eine Rudelzugehörigkeit der an den Rissereignissen beteiligten Tiere durch genetische Proben festgestellt werden kann (§ 45a Abs. 2 BNatSchG). Die Feststellung, ob beteiligte Tiere zu einem bestimmten Rudel gehören, wird allerdings mit zunehmender Populationsdichte immer schwieriger und ist in einigen Gebieten Deutschlands trotz hervorragenden Monitorings nicht mehr möglich. Dies führt paradoxerweise dazu, dass mit Zunahme des Wolfsbestandes die rechtskonformen Handlungsoptionen abnehmen. Aus diesem Grund sollte die Rudelgebundenheit in § 45a Abs. 2 BNatSchG aufgehoben und die Individualisierung des schadensverursachenden Tieres aufgegeben werden. Auf diese Weise würde ein angemessenes und zeitnahes staatliches Handeln bei Konflikten ermöglicht.
- Überarbeitung des „Praxisleidfadens“: Neben den zukünftig notwendigen Anpassungen des Rechts sind kurzfristig bundeseinheitliche Erläuterungen und Klärungen der aktuellen Verwaltungspraxis für notwendig, um Problemwölfe regional leichter und rechtssicher entnehmen zu können. Dazu muss die geplante Überarbeitung des „Praxisleitfadens zur Erteilung artenschutzrechtlicher Ausnahmen nach §§ 45 und 45a BNatSchG beim Wolf, insbesondere bei Nutztierrissen“ möglichst rasch abgeschlossen werden und so zu einem praktikableren, schnelleren und unbürokratischen Umgang mit Einzeltieren verhelfen.